Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde

Karl Philberth

Vortrag von Dr. Karl Philberth beim Internationalen Kongreß der
World Federation of Doctors Who Respect Human Life im Kulturpalast in Dresden vom 20.-23.9.90

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Ärzteaktion, Salzburg (Österreich)


Exzellenz, geschätztes Präsidium, meine Damen und Herren!

Mein Bruder Bernhard Philberth konnte leider nicht kommen. Er läßt Sie herzlich grüßen. Ich werde aber eine Reihe von seinen Gedanken in meinen Beitrag einbauen. In diesem Zusammenhang bitte ich um Nachsicht, wenn ich – abweichend von der Ankündigung – über das Thema „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ sprechen werde. Es vereinigt Betrachtungen über die Entstehung und die Struktur sowohl des Kosmos, als auch des irdischen Lebensraumes und des Menschen. Ursprünglich war der Dia-Vortrag vorgesehen „Das trinitarische Weltbild und die Entstehung des Universums“, etwa in der Art, wie er bei unserer Festtagung 1982 in Speyer der Vortragsreihe vorangestellt war. Die darin ausgebreitete Grundlagenschau mit Dias von den Wundern des kosmischen Geschehens wäre hier, eingebaut in fachliche Vorträge, vielleicht unpassend gewesen.

Der Mensch ist angelegt auf die Begegnung mit Gott, ist berufen zur bewußten Ich-Du-Gemeinschaft mit seinem Schöpfer, dem Herrn. Als Geschöpf ist er endlich, als Kind Gottes ist er ewig. Darin liegt seine einmalige Würde, die ihn wesenhaft vom Tier unterscheidet. Auf die Ewigkeit hin geschaffen kann der Mensch in seinem irdischen Lebensbereich keine Erfüllung finden. Er fühlt sich beengt von seinen natürlichen Grenzen. Er versucht, diese Grenzen hinauszuschieben, zu überschreiten. Bitte glauben Sie nicht, das sei eine theoretische Konstruktion. Jedes Jahr bin ich wiederholt in Kinderheimen, um mit meinen jungen Freunden Gespräche zu führen, um seelsorglich für sie da zu sein. Weil ich Priester und Naturforscher bin, geht uns der Gesprächsstoff nicht aus. Oft fragen dann die Kinder: „Wie groß ist denn das Weltall? Wo ist die Grenze, wo es nicht mehr weiter geht? Wie alt ist das Weltall? Wie hat es angefangen?“ Einmal habe ich den Kindern erwidert: „Gern gehe ich darauf ein, aber vorher habe ich eine Frage an Euch: Ihr braucht das doch gar nicht für Eure Zeugnisse, für Euren Beruf, für Euer tägliches Leben, warum fragt Ihr denn solche Dinge?“ Da konnten sie keine Antwort geben. „Dann muß ich es Euch sagen: Weil Ihr Menschen seid.“ Solche Fragen hat der Mensch gestellt seit er Mensch ist. Im alten babylonischen Weltbild, im altorientalischen Weltbild, im skandinavischen Weltbild – überall taucht die Frage des Grenzproblemes auf. Und je mehr der Mensch vom mythischen Denken zum naturwissenschaftlichen Denken übergeht, um so gravierender wird die Frage nach der Grenze: Was ist denn, wenn jemand auch nur in Gedanken wagen sollte, über den Rand der Weltscheibe oder der Weltwölbung hinabzuklettern, wenn jemand es wagen sollte, über die Midgardschlange hinüber zu steigen? Es gab keine rationale Antwort.

Im letzten Jahrhundert, der Blütezeit des Rationalismus und der Aufklärung, da hatte man das kosmologische Grenzproblem gründlich fortgeschafft. Man glaubte, es gebe nur eine Lösung und könne überhaupt nur eine Lösung geben, nämlich den statischen unendlichen Kosmos. Das ist ein großräumig unbewegter Kosmos, der unendlich viel Masse hat, unendlich lange Zeit da war und sein wird und sich in jeder Richtung unendlich weit erstreckt. Damals hatte man überhaupt ein Talent, auf tiefe Fragen banale Antworten zu geben. Die Materie hielt man für ewig, alles Seiende hielt man für Materie, für Willensfreiheit war kein Platz. Es war damals schwer, gleichzeitig Christ zu sein und Naturwissenschaftler. Aber die Verhältnisse haben sich geändert, heute ist die Situation anders. Die Heisenberg’schen Unschärfen haben die strenge Eigengesetzlichkeit der Materie und damit die Verneinung der menschlichen Willensfreiheit als Unsinn entlarvt. In der freien Welt wird es kaum einen führenden Forscher geben, der die Materie noch für ewig oder als alleinigen Ausdruck des Seins betrachtet.

Und wie war das mit der Vorstellung vom statischen unendlichen Kosmos?

Um die letzte Jahrhundertwende gab es ein unsanftes Erwachen aus diesem Traum. H. von Seeliger wies nach, daß es einen solchen Kosmos gar nicht geben kann, wenn man die elementarsten Voraussetzungen der Physik beibehalten will. Seine Argumentation ist verblüffend einfach: Ein räumlich und zeitlich unendlicher – und damals selbstredend als euklidisch gedachter – Kosmos mit großräumig gleichförmig verteilten Sternen würde bei Gültigkeit des wohlbewährten Newtonschen Gravitationsgesetzes zu unendlich großen Gravitations-Potentialen führen. H. von Seeligers Berechnungen sind so einfach, daß sie jeder Abiturient verstehen und durchführen kann.

Warum war man nicht eher auf diese Überlegungen und Berechnungen gekommen? Darauf kann es wohl nur eine überzeugende Antwort geben: Man hatte diesen Fragenkomplex bis dahin einfach verdrängt, man wollte das letzte aus damaliger Sicht mögliche Weltbild nicht auch noch verlieren. So wandelte sich um die Jahrhundertwende die wissenschaftliche Überheblichkeit und Allwisserei in kleinmütige Verzagtheit. Man wußte nicht, wie der Kosmos aufgebaut war – und man konnte nicht einmal eine physikalisch glaubwürdige Möglichkeit angeben, wie er aufgebaut sein könnte.

Erst die moderne Physik – die Relativitätsphysik von Einstein, die Quantenphysik von Planck, Heisenberg und anderen – hat die Zwangsjacke dieses rationalen klassischen Denkens zerrissen und hat einer weiten Schau Platz gemacht. Mein Bruder und ich befassen uns seit vielen Jahren als Forscher mit diesen Fragen. Es ist etwas Großartiges zu erleben, daß die moderne Physik nicht nur den Platz frei macht für den Glauben, sondern geradezu hinführt. Raum und Zeit gibt es nicht ohne Materie. Sie gehören zusammen. Die Frage, was vor dem 20 Milliarden Jahre zurückliegenden Anfang des Kosmos war, ist eine leere Frage; denn nicht der Kosmos ist eingebettet in eine absolute Kategorie von Raum und Zeit, sondern der Kosmos hat seine eigene Raum-Zeit. Das ist eine Aussage von unvorstellbarer Tragweite. Sie zeigt, daß Materie Raum und Zeit keine Absoluta sind. Die Raum-Zeit ist gekrümmt, ist Änderungen unterworfen. Sie ist vor 20 Milliarden Jahren überhaupt erst in die Existenz getreten.

Das Wesen von Materie, Raum und Zeit und die astrophysikalischen Strukturen von Materie, Raum und Zeit bieten vielfältige Gleichnisse für geistige Wahrheiten. Leider kann ich hier nicht konkret darauf eingehen. Im Aspekt der modernen Physik lösen sich plötzlich Fragen auf, die die Theologen immer wieder bewegt haben. Etwa die Frage der Prädestination: Wie ist es denn möglich, daß Gott in seiner Allwissenheit alles weiß, sogar voraus weiß und daß dennoch der Mensch frei ist? Was hat es mit der Ewigkeit auf sich? Ist diese Ewigkeit ein immer weiter, so wie nach der Zahl Billion die Zahl Billioneins kommt? Nein, Ewigkeit ist etwas ganz anderes. Es ist das absolute Sein Gottes, nicht gebunden an Raum und Zeit dieses unseres Kosmos, der ja sein Werk, seine Schöpfung ist. Gott ist der Herr nicht nur der Materie, nicht nur des Lebens und aller geschaffenen Geister, sondern auch der Raum-Zeit. Ewigkeit heißt nicht: immer weiter in dieser Zeit, sondern, nicht gebunden an diese Zeit, nicht beschränkt auf sie. Wenn jemand fragen wollte: „Wann war der Himmelsturz Luzifers, der sich auflehnte gegen Gott, war das vor Millionen Jahren oder vor Milliarden Jahren?“, so wäre das eine törichte Frage. Es handelt sich hier um ein transzendentes Ereignis. Ein solches Ereignis kann man nicht einer geschichtlichen oder philosophischen oder astronomischen Zeit zuordnen. Es ist quasi immerzu präsent.

Mein Bruder Bernhard Philberth hat in seinem Buch „Der Dreieine“ (Christiana Verlag, CH - 8260 Stein am Rhein) die Schöpfung als Abbild des dreieinen Schöpfers aufgezeigt. Unser gemeinsames Buch „Das All“ (im selben Verlag) beleuchtet die gleiche Schau mit zusätzlichen kosmologischen Untersuchungen. Wo immer man mit offenen Augen in der Schöpfung hinsieht, immer wieder begegnet man der Dreiheit. Wenn wir zunächst im Bereich der astronomischen Welt bleiben, das große Tripel, das Dreigestirn des Makrokosmos: Raum-Zeit, Materie, Gravitation. Oder wenn wir auf den Mikrokosmos umschalten, den Kosmos der Atome und Elementarteilchen: Welle, Körper, Wechselwirkung. Und ebenso bietet sich das auch in den geistigen Bereichen immer wieder: Die Schöpfung ist das Abbild Gottes, des Dreieinen.

Wir stehen in einem Kampf gegen den Materialismus. Aber der Materialismus ist in seinem Kern schon geschlagen. Eine neue Gefahr kommt herauf, nämlich die Gefahr einer diesseitigen Pseudogeistigkeit. Letztlich geht es nicht um die Alternative Materie oder Geist, sondern um die Entscheidung zwischen weltimmanentem oder transzendentem Geist. Wenn wir nur das alte Feindbild des Materialismus vor Augen haben, dann werden wir die Auseinandersetzung mit „New Age“ und Okkultismus, mit psychologisch abgestütztem Relativismus, mit lebensverachtender Emanzipation und schließlich mit dem Antichristen selbst, nicht bestehen. Denn es handelt sich hier nicht um einen platten oder einen dialektischen Materialismus, sondern um geistige Machtbereiche; um Bereiche des weltimmanenten Geistes, der oft Ungeist ist – bis hin zum luziferischen Geist. Menschsein heißt, in die Entscheidung gestellt sein zwischen dem Geist dieser Welt und dem Heiligen Geist Gottes.

Hierzu eine Anekdote. Vor wenigen Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem Nobelpreisträger, der nicht Naturwissenschaftler war und dessen Namen ich aus Diskretion nicht nennen möchte. Wir hatten uns glänzend verstanden über wirtschaftliche und andere Fragen. Auf einmal sagt er zu mir: „Sie sind doch katholischer Priester?“ Ich bejahte. „Dann können Sie mir vielleicht eine Frage beantworten. Die Kirche steht doch auf dem Standpunkt, daß es ein absolutes Wesen gibt, einen Gott, der transzendent ist, d.h. jenseits der Schöpfung liegt; jenseits der Schöpfung im vollen Sinne des Wortes, also nicht nur im materiell-physikalischen, sondern auch im geistigen Sinne.“ Ich sage: „Ja, die Kirche glaubt daran und es ist auch meine persönliche Überzeugung. Ein Gott, der nicht transzendent, sondern weltimmanent, also zu dieser Welt gehörig wäre, der verdiente gar nicht den Namen Gott. Das wäre nur ein Götze.“ Dann fährt er weiter und sagt: „Sie sind doch Wissenschaftler und da müßten Sie doch aus systemtheoretischen Gründen wissen, daß es grundsätzlich nicht möglich ist, aus einem untergeordneten Bereich in einen höheren Bereich einzudringen – beispielsweise aus einer nur 2-dimensionalen Welt in eine 3-dimensionale. Wenn die Kirche trotzdem von einem transzendenten Gott spricht, also von einem aus systemtheoretischen Gründen gar nicht ergreifbaren Gegenüber, dann bleibt nur, daß sie sich letztendlich doch mit einem diesseitigen Gott befaßt oder daß das ganze nur eine Märchenwelt ist.“ Worauf ich erwidere: „Ich stimme Ihnen insofern völlig zu, als man tatsächlich in einen systemtheoretisch übergeordneten Bereich nicht eindringen kann – auch nicht mit seiner Erkenntnis.“ Das erläutere ich sogar noch an Beispielen. Es folgt erstauntes Schweigen. Dann fahre ich fort: Aber jetzt gestatten Sie mir bitte auch eine Frage an Sie: „Kann man von einem übergeordneten Bereich – sei dieser mathematisch, physikalisch oder geistig – in einen darunterliegenden Bereich, in einen darin eingebetteten Raum eindringen?“ Seine Antwort: „Das kann man freilich.“ Darauf sage ich: „Sehen Sie, es war nie die Lehre der Kirche, daß der Mensch aus eigener Intelligenz, Begabung oder eigener Kraft die Kluft zu Gott überbrücken kann. Von der menschlichen Seite her ist es eine unendliche, eine unüberbrückbare Kluft. Wenn wir Menschen Gott suchen und finden können, nur deshalb, weil sich der transzendente, der nicht an Raum, Zeit und Materie gebundene Gott, in seiner Barmherzigkeit zu uns neigt. Er kommt über diese Kluft zu uns, für Ihn ist sie nicht unendlich, denn Er ist ja der Schöpfer.“

Es ist entscheidend wichtig, diese Transzendenz herauszustellen und glaubhaft zu machen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der heutige Mensch in hohem Maße wissenschaftlich-technisch denkt. Wir sollen nicht versuchen, die Grundlage des Christseins auf Wissenschaften abzustützen. Selbst Philosophie und Theologie können Hilfe, aber nicht Grundlage des Glaubens sein. Jedoch sind alle Wissenschaften gerufen, den Menschen auf der Suche nach der letzten Wahrheit zu helfen. Gerade die Physik, die im letzten Jahrhundert dem christlichen Glauben so kontrovers gegenüberstand, kann heute eine wertvolle Hilfe, geradezu eine Hinführung zum Glauben werden.

Mein Bruder und ich haben von jungen Jahren an als Ingenieure gearbeitet und verdienen bis auf den heutigen Tag unser tägliches Brot durch Industrie-Erfindungen. Wir sind aufgewachsen in der Denkweise der technischen Intelligenz. Das ist eine auf Einfachheit, Fingerspitzengefühl und praktische Erfahrung gegründete Denkweise. Viele Ingenieure und Techniker stehen abseits der Kirche, weil ihnen die Denkart der Theologie nicht ans Herz greift. Oft sind sie nicht taub für das Wort Gottes, sondern nur für dessen allzu philosophische Interpretation. Es ist Einfachheit des Denkens, nicht Primitivität, wenn immer wieder die Frage gestellt wird: „Ist die Heilige Schrift wirklich Wort Gottes, treten da nicht Widersprüche auf zwischen dem, was in der Schrift steht und dem, was die Wissenschaft lehrt?“ Damit möchte ich auf Punkt 2 kommen, auf unseren irdischen Lebensraum mit seinen Lebewesen.

Nehmen wir gleich den Anfang des Alten Testamentes, die Schöpfungstage. Da muß man hören: „Schauen Sie doch, geben Sie es doch endlich zu, das stimmt mit dem heutigen Wissen nicht überein. Erster Schöpfungstag: Es werde Licht; zweiter Schöpfungstag: Die Trennung der Wasser; dritter: Land und Kräuter; vierter: Sonne, Mond und Sterne; fünfter: Fische und Vögel; sechster: Großsäugetiere und Menschen. Das stimmt nicht einmal in der Reihenfolge.“ Sie wissen vielleicht, was die Theologen dann gerne sagen: „Die Heilige Schrift ist doch kein Naturkundebuch. Es kommt nur auf das Geistige an, die Aussagen über die Natur brauchen doch gar nicht zu stimmen.“ Das sind so Verlegenheitsantworten; denn wir sind doch überzeugt, daß Gott die Heilige Schrift inspiriert hat, und zwar als Realinspiration, nicht als Verbalinspiration; das heißt: dem Inhalt nach, nicht im Sinn eines wörtlichen Diktates. Gott inspiriert aber nichts Falsches. Es geht also um die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift. Deshalb waren die früheren Kontroversen zwischen Bibelglaube und Naturwissenschaft so destruktiv. Um so beglückender ist die Erkenntnis, daß die Aussagen der Heiligen Schrift über natürliche Dinge mit dem heutigen Stand der Naturwissenschaften so gut übereinstimmen. Ich möchte versuchen, das in Kürze bezüglich der Schöpfungstage aufzuzeigen.

Das frühere Mißverstehen des Schöpfungsberichts begründete sich vor allem in der klassischen Denkweise, die von einem fiktiv unterstellten „abstrakten“ Beobachtungsstandpunkt ausging. Nach den Erkenntnissen der allgemeinen Relativitätsphysik ist jeder Beobachter frei, für seine Beschreibung den ihm am sachgerechtesten erscheinenden Standpunkt einzunehmen. Und welchen Standpunkt sollte denn die Heilige Schrift einnehmen, wenn nicht den von Gott ausersehenen Ort des Heilsgeschehens, nämlich die Erdoberfläche!

So wie der Astrophysiker es sich heute vorstellt, war der Planet Erde vor viereinhalb Milliarden Jahren zunächst mit einer dichten Wolkenschicht umgeben und dadurch dunkel. Die fortschreitende Abkühlung führte zur Ausregnung, es wird heller (1. Tag). Diese Ausregnung bedeutet Trennung des Wassers: ein Teil bleibt als Wolken im Firmament, ein anderer Teil fällt zur Erde (2. Tag). Das zur Erde gefallene Wasser bildet Flüsse, Seen und Meere. Im Wechselspiel von Erosion und Sedimentation, von Senkung und Hebung der Erdkruste, entsteht das feste Land, auf dem im indirekten Licht der Sonne bereits grüne Kräuter und Pflanzen wachsen (3. Tag). Die Wolkenschicht wird immer dünner und reißt schließlich auf, so daß blauer Himmel hervortritt; Sonne, Mond und Sterne werden von der Erdoberfläche aus sichtbar, erst jetzt „sind sie da“ (4. Tag). Als Frühformen des hochentwickelten Lebens treten Fische und Vögel auf (5. Tag). In der Erdneuzeit erscheinen die Großsäugetiere und, als letztes, der Mensch (6. Tag). Die Reihenfolge des biblischen Berichtes stimmt also. Am Wort „Tag“, das in der Bibel gebraucht ist, braucht man sich nicht zu stoßen. Im hebräischen Text heißt es nämlich „jom“, womit allgemein ein Zeitabschnitt gemeint ist.

Geehrte Anwesende, wirklich überzeugend wird dieser biblisch-naturwissenschaftliche Vergleich der Schöpfung erst, wenn man nicht irgend eine Übersetzung des Alten Testaments zugrunde legt, sondern dessen hebräischen Urtext. Hier ist klar unterschieden zwischen schöpfen im Sinne von „erschaffen aus dem Nichts“ und schöpfen im Sinne von „formend gestalten“ – in großartiger Übereinstimmung mit den modernen Erkenntnissen der Astronomie und Paläontologie. Diese Aussagen über den Schöpfungsbericht sind freilich nur ein einziges Beispiel aus den umfangreichen Texten der Heiligen Schrift. Ein einzelnes Beispiel hat als solches noch keine Beweiskraft für die Inspiration der Heiligen Schrift. Trotzdem ist mir gerade dieses Beispiel besonders wichtig, denn es geht hier um die allerersten Sätze der Bibel, sozusagen um die Grundsteinlegung. Wollen Sie darin eine Einladung sehen, sich gründlicher mit solchen Studien zu befassen. Es lohnt sich.

Hierzu kann ich Ihnen wärmstens das Buch von Karel Claeys empfehlen „Die Bibel bestätigt das Weltbild der Naturwissenschaft“ (auch im Christiana-Verlag). Der Autor ist vor einigen Jahren gestorben, mein Bruder und ich waren befreundet mit ihm. In diesem seinem Werk sind die Realwelt-bezogenen Aussagen der Bibel aufgrund sorgfältiger sprachlicher Untersuchungen des Urtextes lückenlos verglichen mit den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Viele dieser Gegenüberstellungen sind von einer geradezu verblüffenden Überzeugungskraft, andere sind zumindest glaubwürdig, einige wenige wirken etwas künstlich, aber keine Stelle ist unannehmbar. Die meisten der zum Vergleich herangezogenen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse konnte damals noch kein Mensch ahnen. Darum stimme ich Karel Claeys zu, wenn er diese glänzende Übereinstimmung als Beweis für die Inspiriertheit der Bibel ansieht: Die den Heiligen Text niederschreibenden Menschen konnten die Zusammenhänge nicht kennen, sie legten Einsichten nieder, die der allwissende Geist Gottes ihnen eingab.

Gerade haben wir uns mit dem Anfang der Heiligen Schrift befaßt, jetzt möchte ich gern noch etwas sagen zu deren Ende, nämlich zur Apokalypse, die auch Geheime Offenbarung genannt wird. Vielleicht haben Sie schon das Buch meines Bruders Bernhard Philberth in die Hand bekommen „Christliche Prophetie und Nuklearenergie“ (auch im Christiana-Verlag). Er zeigt darin auf, daß das, was in der Apokalypse und in den Endzeitreden Jesu dargestellt ist, mit einer erschreckenden Präzision parallel läuft mit dem Geschehen, wie sich Fachleute einen möglichen Atomkrieg vorstellen. Ich möchte aber gleich hinzufügen: Dieses Buch kündet nicht Fatalismus, sondern das Gegenteil davon. Als Reaktion auf dieses Buch kamen brieflich, telefonisch und persönlich erstaunlich viele Stimmen, die man in zwei Gruppen einteilen konnte. Die einen sagten: „Nein, mit dem Holzhammer möchte ich nicht auf den Kopf geschlagen werden“, die anderen sagten: „Danke für dieses schöne Trostbuch“. Bald fanden wir den Grund für diese so unterschiedliche Reaktion. Diejenigen, welche die Schrecklichkeit einer drohenden Atomkatastrophe nicht wahr haben wollen, fühlen sich mit dem Holzhammer traktiert, wenn sie diese Tatsachen real vor Augen gestellt bekommen. Dagegen diejenigen, die sich nichts vormachen, die vielleicht sogar von Berufs wegen wissen, um was es wirklich geht, die erkennen das Buch in seinem wahren Charakter, nämlich als Trostbuch. Es zeigt auf, daß nicht wissenschaftliche Entwicklungen, politische Machenschaften, militärische Vorbereitungen und Zufallsereignisse unser Schicksal bestimmen, sondern daß Gott der Herr ist über Leben und Tod. Wie lange und in welcher Weise wir noch zu leben haben, das hängt davon ab, ob Er seine schützende Hand über uns hält oder nicht. Wir dürfen seine Gnade erflehen, wenn wir seine Gebote beachten, wenn wir das menschliche Leben achten – und wir können seine Gnade verwirken, wenn wir das Gegenteil tun. Ist denn unser Leben wirklich mehr wert, als das Leben derer, die wir glauben als Ungeborene töten zu dürfen? Ebenfalls im Christiana-Verlag wird ein Anschluß-Buch meines Bruders mit dem Titel „Apokalypse aktuell“ erscheinen.

Nun zum letzten Teil des Vortrags, zum Anfang des Menschen. Wenn Sie sich von Ihren Kindern und Enkelkindern Schulbücher über Verhaltensforschung, Biologie oder Paläobiologie geben lassen, so können Sie das Staunen lernen, was Schulbuchautoren alles zu wissen glauben. Viele Eltern stehen wie dumm da, wenn ihr Zwölfjähriger ganz selbstverständlich vom TMÜ spricht und seine Angehörigen dann nachsichtig belehrt, daß damit natürlich der „Tier-Mensch-Übergang“ vor zweieinhalb Millionen Jahren gemeint ist. Das ist eine Ungeheuerlichkeit: Autoren werfen ein Schlagwort auf den Tisch – und schon ist für den harmlos vertrauenden Schüler „bewiesen“, daß der Mensch ein Übergangsprodukt vom Tier ist. Leider ist das nur ein Beispiel von vielen. Wolfgang Kuhn, Professor für Biologie an einer Pädagogischen Hochschule, hat mir davon erzählt, wie viele Mühe es ihn kostet, die irrigen Vorstellungen seiner schulpflichtigen Verwandtschaft richtig zu stellen. In diesem Kampf steht er nicht allein. Entsprechenden Unrichtigkeiten, Halbwahrheiten und Entstellungen kann man auf der ganzen Linie begegnen; beginnend mit den Ergebnissen des Miller-Versuchs, über die Entstehung der ersten replikationsfähigen Makromoleküle, dann weiter über die Evolution der Lebewesen, bis zum genannten TMÜ und schließlich dem menschlichen Gehirn und dem Wesen des Menschen.

In den USA haben sich harte Fronten gebildet. Auf der einen Seite gibt es den Kurzzeit-Kreationismus, auf der anderen Seite den Evolutionismus. Diese beiden Extreme haben mit Wissenschaftlichkeit nichts mehr zu tun. Besonders im Zusammenhang mit dem Menschen, aber auch schon bezüglich Pflanze und Tier, bin ich in diese Probleme tiefer hineingezogen worden, als mir lieb war. Ich bin so weit, daß ich das Wort Evolution am liebsten nicht mehr in den Mund nehme, weil es zu mißverständlich ist. Unter Evolution wird oft der Neo-Darwinismus verstanden. Er besagt, daß die immer höheren Formen des Lebens, und schließlich sogar der Mensch selbst, durch Mutation plus Selektion entstanden sind, das heißt, durch spontane Erbsprünge mit nachfolgender Auslese. Diese Auffassung verbindet sich gewöhnlich mit der Doktrin, alles habe sich durch Selbstorganisation der Materie vollzogen, also ohne geistige Lenkung. Das ist nicht mehr objektive Wissenschaft, sondern materialistische Ideologie, die für den Christen unannehmbar ist. Dieses Konzept von der Selbstorganisation der Materie ist ein materialistischer Wunschtraum. Es wird heute von führenden Wissenschaftlern als widerlegt angesehen. Herr Professor Bruno Vollmert wird uns das im nachfolgenden Vortrag in überzeugender Weise aufzeigen.

Auf der anderen Seite bin ich als Naturwissenschaftler, Astronom und Kernphysiker aufgrund vielseitiger und voneinander unabhängiger Beweise davon überzeugt, daß das Universum rund 20 Milliarden Jahre, unsere Erde 4-5 Milliarden Jahre und das erste irdische Leben 3-4 Milliarden Jahre alt ist. Ich sehe hier kein Problem – weder mit der Bibel noch mit der kirchlichen Lehre. Schon länger habe ich mir angewöhnt, von „höherführender Schöpfung“ zu sprechen. Dieser Begriff bringt zum Ausdruck, daß es sich bei Pflanze und Tier und erst recht beim Menschen, um Schöpfung Gottes handelt, und daß diese Schöpfung von den einfachen Formen des Lebens zu den hohen Formen des Lebens führt. Es ist eine Höher-Entwicklung, die Gott lenkt. Um diese göttlich gelenkte Evolution von der materialistisch verstandenen Evolution zu unterscheiden, spricht mein Bruder von „Lenk-Evolution“. Wie diese höherführende Schöpfung konkret verlaufen ist, das ist wichtig für die Fachwissenschaften, aber nicht für das christliche Weltbild.

Man muß an all diese Fragen mit einer unbefangenen, einfachen Denkweise herangehen. Das gilt vom geistigen Bereich ebenso wie vom technischen und naturwissenschaftlichen. Mein Bruder und ich leben von Industrie-Erfindungen und -Entwicklungen, über 100 Patente sind uns erteilt worden. Rückblickend kann ich sagen: die guten Erfindungen sind immer einfach. Auch Albert Einstein dachte einfach, er hat die Zeitgenossen sozusagen nicht „überdacht“, sondern „unterdacht“; er hat das von anderen als selbstverständlich Angesehene hinterfragt und genial beantwortet. So wollen wir jetzt ganz einfach fragen: „Was ist der Mensch?“

Falls man sich damit an einen Paläontologen wendet, dann wird er am ehesten antworten: „Wenn ein Wesen auf zwei Beinen läuft und sein Gebiß keine Affenlücke aufweist, dann ist es ein Mensch.“ Als ich noch jung und unerfahren war, da fragte ich: „Woher wissen Sie denn, daß das ein Mensch ist?“ „Ja, wir definieren den Menschen so; zweibeinig ohne Affenlücke, das ist Mensch – per Definition.“ Man kann den Menschen auch definieren als ein Wesen, das Werkzeuge, Höhlenzeichnungen und Feuer hervorbringt.

Aber worauf es der Heiligen Schrift und uns Christen ankommt, das ist nicht die den Zahnarzt interessierende Frage nach der Affenlücke, sondern die Frage des Verhältnisses, das dieses Wesen zu Gott hat, das Angerufensein von Gott: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Nach der Bibel erschuf Gott den Adam als Stammvater des Menschengeschlechts, indem er ein Gebilde aus Ton formte und diesem seinen Odem einhauchte. Ich werde manchmal darauf angesprochen: „Das ist doch nicht biblisch, wenn Sie als Physiker der Meinung sind, die ersten Spuren des Lebens seien schon Milliarden von Jahren alt und der Mensch habe rein biologisch gesehen vielleicht eine weit zurückreichende Ahnenkette.“ Darauf pflege ich zu antworten: „Das ist sehr wohl biblisch, denn Gott hat es nicht eilig. Dieses Gebilde aus „Ton“ – gemeint ist die natürliche irdische Substanz – könnte Er doch im Laufe von drei Milliarden Jahren geschaffen haben, um dann den entscheidenden Akt der Menschwerdung zu vollziehen: Die Einhauchung Seines Geistes.“ Menschsein, das bedeutet grundlegend mehr als zweibeinige Gangart, überlegene Intelligenz und selbstbezogenes Bewußtsein – es bedeutet persönliches Verhältnis zu Gott, es bedeutet Gottes-Kindschaft.

Das Kind Gottes ist in eine Verantwortung gestellt. Es hat viele Freiheiten – aber auch Grenzen der Freiheit. Es muß sich entscheiden, ob es diese Grenzen einhalten will. Davon ist erstmals im 2. Kapitel des biblischen Schöpfungsberichtes die Rede. Wie es hier heißt, gab Gott der Herr dem Menschen folgendes Gebot: „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, nur vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen! Denn sobald du davon ißt, bist du dem Tode verfallen.“ Das 3. Kapitel berichtet von der Schlange, die zur Frau sagte: „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ Die Schlange stellt sich also dumm, sie tut, als ob sie Adam und Eva für unterdrückte Geschöpfe hält, denen nichts erlaubt ist und die aus unerträglichem Zwang befreit werden müssen. Doch Eva weiß Bescheid, sie antwortet: „Von den Früchten der Bäume des Gartens dürfen wir essen. Nur bezüglich der Früchte des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott befohlen: ‚davon dürft ihr nicht essen, ja sie nicht einmal anrühren, sonst müßt ihr sterben‘.“ Sie weiß also sehr wohl, es geht um die Mitte des Gartens, um etwas Zentrales – nicht einfach um irgend einen Giftbaum, vor dem Gott warnt, so wie Eltern ihre Kinder vor der Tollkirsche warnen.

Wie es weiter heißt, erwiderte die Schlange der Frau: „Keineswegs werdet ihr sterben, vielmehr weiß Gott, daß euch die Augen aufgehen werden, sobald ihr davon eßt, und daß ihr wie Gott werdet, indem Ihr erkennt, was gut und böse ist.“ Die Schlange erweckt hiermit den Anschein, als ob Gott dieses Verbot aus eifersüchtiger Herrschsucht gegeben habe, damit der Mensch nicht Ihm gleich werde. Gott hatte gesagt „dann werdet ihr sterben“, die Schlange widerspricht, „keineswegs werdet ihr sterben“, die Stammeltern haben der Schlange mehr geglaubt als Gott, sie haben sich zur Ursünde verführen lassen.

„Der Teufel lügt sogar mit der Wahrheit“, heißt es in Shakespeares Drama Macbeth. Der Mensch ist nicht gestorben, das Menschengeschlecht lebt bis auf den heutigen Tag – und doch ist er gestorben, sein wahres Wesen, die zeitlose Gotteskindschaft, war zerstört; er wurde Teil der gefallenen Welt, dem Machtbereich des sich gegen Gott auflehnenden Luzifer. Aus ewigem Sein in Gottes Geborgenheit war unentwegter Wandel geworden, ausgeliefert an die Mächte des Todes.

Gott allein ist der Herr des Gerichts, Er allein setzt den Maßstab, was gut und böse ist. Wer zu Gott gehört, für den ist das gut, was Gott will, und ist das böse, was Gott verabscheut. Einen anderen Maßstab von gut und böse erkennen oder gar verwirklichen zu wollen, das bedeutet Trennung von Gott. Es ist die Ursünde. Luzifers Auflehnung „ich will nicht dienen“ ist letztlich die Weigerung, Gottes Maßstab von gut und böse anzuerkennen. Der Teufel setzt seine eigenen Normen und schafft damit einen von der Gottesherrschaft getrennten Seins-Bereich, nämlich die Hölle. Er verführt den Menschen seit damals immer wieder neu, gut und böse nach eigenem Ermessen festzusetzen, und damit nicht Gott, sondern ihm zu gehören.

„Eßt vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen und ihr werdet sein wie Gott.“ Diese satanische Anmaßung der Gottgleichheit erreicht heute endzeitliche Dimensionen. Der immer wieder von Gott verworfene Götzendienst des Alten Bundes steigert sich zum Götzendienst weltweiter Ideologien. An Gottes Stelle tritt das Volk, die Partei, die Höherentwicklung oder die Selbstverwirklichung. Als gut gilt, was diesen Götzen dient. Doch an den Früchten kann man sie erkennen:

Wenn das gut ist, was dem Volk nützt, dann hat der als Volksschädling oder als rassisch oder biologisch minderwertig Angesehene kein Lebensrecht;

wenn das gut ist, was der Partei dient, dann ist für Gottesverherrlichung kein Platz, dann wird der An-dersdenkende gehirngewaschen oder ausgerottet;

wenn das gut ist, was der menschlichen Höherentwicklung dient, dann ist das Recht auf der Seite des sich durchsetzenden Überlebensfähigen, der Schwächere muß Platz machen und aussterben;

wenn das gut ist, was der persönlichen Selbstverwirklichung dient, dann sucht jeder auf eigene Faust die Durchsetzung seines Willens, seiner Karriere und seines Sozialprestiges, dann gehen Ehe und Familie qualvoll zugrunde, dann ist der ungeborene Mensch zur Tötung freigegeben.

Muß der Mensch Gottes Maßstäbe annehmen, muß er Gott selbst anerkennen? Diese Frage rührt an die letzten Dinge. Der Mensch ist erschaffen zum ewigen Heil in Gott – und doch kann er kraft der ihm geschenkten Freiheit sich gegen Gott und damit zu seinem eigenen Unheil entscheiden. Gott will nicht Herr sein über Wesen, die Ihn ablehnen, Er will nicht Kommandant eines Konzentrationslagers sein. Sondern Er will da sein für alle, welche Ihm als Kind gehören und Ihm als Herrn die Ehre erweisen wollen. Darum lädt Er uns zu seinem Gebet ein: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name“. Nach dem 4. Kapitel der Apokalypse sprechen die Heiligen zu Gott: „Würdig bist Du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit und Ehre und Macht zu empfangen“. Gott, der absolute Souverän, bedarf unserer Verherrlichung nicht – und doch möchte Er sie von uns empfangen, um unseretwillen. Denn wo Menschen Gott verherrlichen, dort ist Himmel und wo Menschen Gott ablehnen, dort ist Hölle.

Immer wieder wird versucht, die Menschenwürde horizontal, also innerhalb der Welt zu verankern. Alle solche Versuche verkennen das Wesen des Menschen und führen zur Katastrophe. Dann wehe demjenigen, der die falsche Rasse oder Überzeugung hat, der körperlich oder geistig behindert ist oder der als Ungeborener noch nicht in „sozialem Bezug“ steht. Erst die Gotteskindschaft verleiht dem Menschsein absolute Würde. In der Würdigung Gottes würdigen wir auch Sein Abbild, den Menschen.

Unsere Familien sind bedroht durch gegenseitige Entwürdigung von Mann, Frau und Kindern infolge einer egoistischen Selbstverwirklichung und eines rücksichtslosen Kampfes um die Vorherrschaft. Wahre Würde kann nicht durch Gesetze aufgezwungen und nicht mit Gewalt abgetrotzt werden – sie wächst nur dort, wo Menschen in dienender Liebe einander freiwillig Ehre erweisen. Der Mann kann nur dann wahrhaft Haupt der Familie sein, wenn seine Frau ihm diese Würde schenkt, und die Frau kann nur dann wahrhaft Herz der Familie sein, wenn ihr Mann ihr diese Würde schenkt.

Als schönste Frucht ihrer sich aneinander verschenkenden Liebe dürfen die Eheleute menschliches Leben hervorbringen. Von Gott erschaffen in einmaliger, unantastbarer Würde, ist es der Sorge der Eltern anvertraut. Das ist ihre größte Aufgabe. Sie bedeutet Teilhabe an Gottes Schöpfungswerk. Die Ehepartner sind frei, durch Zeugung und Empfängnis einem neuen Menschen den Eintritt in diese Welt zu ermöglichen, sie sind aber nicht frei, diesem Menschen das Leben zu nehmen. Abtreibung ist ein schrecklicher Mißbrauch der Freiheit, ein anmaßender Eingriff in Gottes alleiniges Recht über Leben und Tod.

„Lassen wir doch die schwangeren Frauen selbst entscheiden“, heißt ein beliebtes Schlagwort zugunsten der Abtreibung. Es steht in krassem Widerspruch zu einem Grundsatz, der heute über alle religiösen und konfessionellen Grenzen hinweg, allgemein anerkannt ist: niemand darf verfügbares Eigentum anderer Menschen sein. Das heute so betonte Selbstbestimmungsrecht steht auch dem noch ungeborenen Leben zu. Die beiden Eltern sind dessen Treuhänder, nicht dessen Scharfrichter. Menschliches Leben ist etwas Absolutes, es kann in keinem Stadium und keinem Zustand des Menschseins verweigert werden. Wenn es auch nur an einer einzigen Stelle ungestraft angetastet werden darf, dann ist das wie ein Dammbruch; dann wird damit das Leben als solches preisgegeben: nicht nur das ungeborene Leben, sondern auch das behinderte und altersschwache Leben und schließlich das unerwünschte Leben in jeder Form.

Vor uns steht eine Entscheidung, in der es keine Kompromisse gibt: Entweder wir heiligen Gottes Namen und achten das menschliche Leben als Sein Ebenbild, dann dürfen wir auf Seinen Schutz vertrauen – oder wir setzen unsere eigenen Maßstäbe von Leben und Tod, dann sind wir unserer menschlichen Willkür ausgeliefert, bis hin zu den Schrecken eines neuen Weltkrieges. Mit Recht bezeichnete Papst Paul II im Jahr 1984 die Abtreibung als unbeschreibliches Verbrechen und erklärte: „Wenn der Schwache schon von seiner Empfängnis an verwundbar ist, dann ist er es auch im Alter… oder durch die Vernichtungskraft der Atomwaffen.“