Der Christ und die Atomkerntechnik

Bernhard Philberth

Diesen Vortrag hielt Bernhard Philberth auf der religiösen Arbeitstagung des Malteser-Ritter-Orderns in
Bad Wimpfen a. Necker (5. bis 7. April 1963).

© Karl Philberth

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir leben in einer Zeit, die nicht ihresgleichen hat, weder in der Menschheitsgeschichte noch in der ganzen Erdgeschichte. Wir leben schon nicht mehr in derjenigen Zeit, die man als Neuzeit und Erdneuzeit bezeichnet hat. Etwas ganz Neues ist jäh auf uns zugekommen, das vollkommenes Umdenken erfordert. Erstmals seit Bestehen des Kosmos ist es einem geschaffenen Wesen, ist es dem Menschen möglich geworden, seinen gesamten Lebensraum zu vernichten; d. h. die Erde unbewohnbar zu machen.

Nach verschiedenen, voneinander unabhängigen physikalischen und astronomischen Berechnungen ist das Weltall vor etwa zehn Milliarden Jahren aus dem Nichts entstanden. Die Entwicklung auf der Erde nahm von ersten Anfängen bis heute einen extrem beschleunigten Anstieg; erst langsam und dann rascher und immer rascher ansteigend. Dies zeigt sich in einer exponentiellen Verkürzung der einzelnen Entwicklungsabschnitte:

Seit Milliarden von Jahren gibt es niederste Organismen,

seit Hundertmillionen von Jahren Wirbeltiere,

seit Zehnmillionen von Jahren Säugetiere,

seit Millionen von Jahren höhere Affen,

seit Jahrhunderttausenden gibt es den Urmenschen mit dem Gebrauch des Feuers,

seit Jahrzehntausenden Stein-Werkzeuge und -Waffen, seit Jahrtausenden Metallwaffen und -Werkzeuge,

seit Jahrhunderten einfache Maschinen und Feuerwaffen,

seit Jahrzehnten Kraftmaschinen, Elektrotechnik und Flugtechnik,

seit Jahren Sinnes- und Steuertechnik, Raketen- und Nukleartechnik.

Es ist unverkennbar, daß diese typische Entwicklungsfunktion in den gegenwärtigen Jahren gegen eine Grenze läuft.

Milliarden Jahre Entstehung und Entwicklung der Tierwelt wurden bestimmt durch die Fähigkeit der lebenden Organismen, sich der Umwelt anzupassen. Millionen Jahre des Auftretens und Wirkens des Menschen wurden bestimmt durch die menschliche Fähigkeit, die Umwelt aktiv zu gestalten. Aber trotz dieser neuen Qualität ist ein wesentlicher Zug gleichgeblieben:

Immer wurde das Geschehen durch einen gnadenlosen Kampf jedes gegen jeden und aller gegen die Welt beherrscht. Dieser Daseinskampf hat zu allen Zeiten die apokalyptischen Reiter über die Erde gejagt mit Unterwerfung, Krieg, Hunger und Tod im Gefolge. Aber die Lebenskraft der Erde war größer – und keiner dieser Kämpfe und keine Folgen aus diesen Kämpfen haben es bisher vermocht, die Grundlagen des irdischen Lebens global zu zerstören. Weil aber die Lebensgrundlagen nicht zerstört wurden, sind aus dem Kampf und der Bedrohung immer lebenstüchtigere Wesen und gewaltigere Mächte hervorgegangen. Der Daseinskampf war nicht nur die Ursache vielfältigen Leidens und Sterbens – sondern auch der eigentliche Motor, der die Entwicklung mit so unheimlicher Dynamik vorangetrieben hat. Aus erdgeschichtlichen Zeiten herankommend und die Menschheit hochtragend, eilt diese Entwicklung jetzt ihrer Grenze entgegen.

Welcher Art ist diese Grenze?

Die Macht des Menschen hat kosmische Dimensionen angenommen. Bisher hat kein Machtstreben und kein Vernichtungswille, kein Verbrechen und keine Dummheit vermocht, unseren Planeten, als Lebensraum zu verderben. Aber jetzt ist es dem Menschen möglich geworden, über die ganze Erde den Tod zu bringen und damit alle weitere Entwicklung abzuschneiden. Bisher war die Bewohnbarkeit der Erde nicht von den personalen Qualitäten des Menschen abhängig. Aber heute ist das irdische Sein dem Menschen schutzlos ausgeliefert. Erstmals steht und fällt das irdische Dasein aller mit unserem sittlichen Bewähren oder Versagen.

Aber unser Denken, Reden und Handeln ist immer noch befangen in den uralten Maßstäben jener Entwicklung, die der Daseinskampf geprägt hat. Nur eine totale Wandlung in den Grundlagen unseres Seins könnte vor einer endzeitlichen Weltkatastrophe bewahren.

Wodurch ist dem Menschen diese furchtbare Gewalt zugekommen? Durch die Beherrschung der Nuklearenergie. Was ist Nuklearenergie?

Nuklearenergie ist kernatomare Energie; im Gegensatz zur hüllatomaren, chemischen Energie.

Der Stoffwechsel im Organismus, die Verbrennung im Kraftwagenmotor oder im Feuer der herkömmlichen Sprengstoffe, wie Dynamit, Pentrinit, Trinitrotoluol (kurz TNT) usw. setzt lediglich chemische Energien frei.

Hierbei tauschen verschiedene Atome ausschließlich Elektronen der Atomhülle aus, während die Atomkerne völlig unberührt bleiben. Dagegen bei den nuklearen Reaktionen reagieren die Atomkerne selbst.

Wie die Sonne im Inneren des Sonnensystems beherrschend steht, so der Atomkern im Inneren des Atoms. Der Atomkern enthält über 99,9% der gesamten Masse bei einem Durchmesser von nur 1/10000 des gesamten Atoms; wie ein Sandkorn inmitten eines leeren Saales. Da somit die elektrischen Ladungen im Atomkern billionenfach stärker komprimiert sind als in der Atomhülle, sind nukleare Energien viele Millionen mal größer als die chemischen Energien; ein Verhältnis wie rund ein Jahr zu einer Sekunde.

Die Spaltung von Atomkernen des Uran, wie sie in der sogenannten Atombombe (d. h. in der A-Bombe) geschieht, setzt eine Energie frei wie die Detonation der 25 000 000-fachen Menge TNT. Die Verschmelzung von Atomkernen des Lithium-Wasserstoff, wie sie in der Wasserstoffbombe, Hydrogeniumbombe, (d. h. in der H-Bombe) geschieht, setzt eine Energie wie die 80 000 000-fache Menge TNT frei. Das Trinitrotoluol TNT ist der meistgebrauchte Bombenexplosivstoff der vergangenen Weltkriege; mit seiner Detonationsenergie von 750 cal/g dient TNT allgemein als Vergleichssprengstoff.

Die Nuklearenergie ist die Energie des Kosmos; Energie, mit welcher die Sonne und die anderen Fixsterne des Weltalls seit Jahrmilliarden strahlen. Seit einigen Jahren ist es dem Menschen gelungen, diese kosmischen Energien auf der Erde freizusetzen.

Die Nutzung der Nuklearenergie bringt große Gefahren. Aber es besteht kein Grund, auf die Nutzung der Nuklearenergie zu verzichten. Die Nuklearenergie wird schon in wenigen Jahrzehnten notwendig sein, um die Existenzbedürfnisse der wachsenden Weltbevölkerung zu befriedigen. Ich bin der Überzeugung, daß man mit Umsicht und angemessenem Aufwand die Nuklearenergie mit hinreichender Sicherheit zum Segen für alle nutzen könnte.

Aber das Denken der Menschen ist ein Machtdenken, das uns auf einen Weg geführt hat, dessen Fortsetzung zum sicheren Untergang führt. Nahezu die gesamte Kapazität der nuklearen Großkraftstationen dient allein der Gewinnung von Kernsprengstoff. Die militärischen Zielsetzungen beherrschen das Denken. Die Entwicklung und Herstellung nuklearer Bomben und Waffen beherrschen das Handeln. Zur Zeit ist Kernsprengstoff für über 100 000 A-Bomben und für über 10 000 Wasserstoff-Bomben gelagert.

Neben den nuklearen Giftwaffen gibt es eine stetige Reihe von nuklearen Explosivwaffen; angefangen von der etwa walnußgroßen « Transuran-Miniaturatombombe » mit einer Wirkung wie knapp 100 t TNT – bis zur tonnenschweren Wasserstoff-Superatombombe mit einer Wirkung wie über 50 Mt TNT (d. h. wie über 50 000 000 t TNT).

Eine einzige der meistgebrauchten, kleineren Wasserstoffbombe bewirkt auf einer Fläche von etwa 1000 km2 Totalzerstörung und verursacht auf einer Fläche von etwa 10 000 km2 eine lokale, tödliche Strahlenverseuchung.

Außerdem bringen die Nukleardetonationen eine weitere Gefahr, mit der sie sich von allen anderen Kampfmitteln grundsätzlich unterscheiden: Nach den lokalen, d. h. örtlichen Druck- und Strahlenwirkungen der Detonation folgen nach Jahren und Jahrzehnten die globalen, d. h. weltweiten Auswirkungen der ausgeschütteten langlebigen Radioaktivität. Mit der Detonation entstehen radioaktive Atome verschiedenster Art, die mit den Glutwolken zum Teil bis in die Stratosphäre hochsteigen und sich innerhalb Tagen über die betreffende Erdhalbkugel und innerhalb Jahren über die gesamte Erdoberfläche verteilen. Nach und nach gelangen sie in den Organismus des Menschen und schlagen ihn bis in ferne Generationen mit Siechtum und Tod.

Allein schon durch die bisherigen Nuklearwaffen-Experimente ist für die nächsten Generationen eine große Gefahr gegeben. Die Zahl der Leichtergeschädigten – etwa mit stark verminderter Intelligenz oder erhöhter Krankheitsanfälligkeit – ist schwer abzuschätzen.

Die für die Nuklearwaffen charakterischen Global- und Spätwirkungen treffen wahllos auf der ganzen Erde Freund, Feind und Neutrale; gleicherweise ob nahe oder ferne vom Detonationspunkt. Diese Global- und Spätwirkung ist es auch, die einen nuklearen Großkrieg für die künftige Bewohnbarkeit dieses Planeten so gefährlich werden läßt: Jahre und Jahrzehnte nach dem Krieg sterben Menschen und höhere Säugetiere dahin, einen sterilen Planeten hinterlassend.

Diese allgemein bekannte Unmöglichkeit, die Global- und Spätwirkungen nuklearer Waffen zu zielen, bedeutet eine Unkontrollierbarkeit dieser Waffen in ihrer Auswirkung. Diese Unkontrollierbarkeit der Nuklearwaffen ist für die moraltheologische Würdigung entscheidend.

Neben diese physikalisch-biologisch gegebene Unkontrollierbarkeit der Detonations-Auswirkung tritt noch eine Unkontrollierbarkeit ganz anderer Art. Diese andere Unkontrollierbarkeit ergibt sich aus dem rüstungstechnisch-militärischen Aufbau des Waffensystems und ist eine Unkontrollierbarkeit der Katastrophen-Auslösung.

Was sind die Probleme der modernen Rüstung der Großmächte?

Es wäre wohl unbillig, wenn man den Befürwortern einer nuklearen Rüstung unterstellen würde, daß sie einen nuklearen Krieg vorbereiten wollten. Deshalb sind die Hinweise der Rüstungsgegner auf die Schrecklichkeit des Nuklearkrieges im Grund verfehlt. Auch die Rüstungsbefürworter wissen, daß aus einem nuklearen Großkrieg nur der Tod als Sieger hervorgeht.

Man rüstet heute in der Absicht, einen Krieg zu vermeiden; nicht etwa um einen ausgebrochenen Krieg siegreich zu beenden. Durch die Bereithaltung eines möglichen Gegenschlages soll der Gegner abgehalten werden, überhaupt einen Angriff zu beginnen. Diese Absicht kann aber nur erreicht werden, wenn für den potentiellen Gegenschlag der Einsatz der nuklearen Waffen mit eingeplant ist; zumindesten bei entsprechenden Angriffen des Gegners. Gerade durch die Entmenschlichung des potentiellen, d. h. des möglichen Krieges, soll der Krieg in die Unwirklichkeit gedrängt werden. Deshalb gehen auch alle Hinweise auf die Nichtanwendung des Giftgases im 2. Weltkrieg, die eine Frage der Menschlichkeit des aktuellen, d. h. des wirklich ablaufenden Krieges war, am eigentlichen Problem vorbei.

Die Frage ist heute allein, ob die Drohung mit dem unmenschlichen Gegenschlag wirklich in der Lage ist, den großen Nuklearkrieg zu verhindern. Die Frage ist, ob die nukleare Abschreckung einen Krieg auf die Dauer wirklich unmöglich macht. Diese Frage wird nur modifiziert, aber nicht grundsätzlich verändert, wenn man hierbei die Konzeption der großen Abschreckung oder die einer national-geteilten Abschreckung zugrunde legt.

Um es vorwegzunehmen: Ich glaube nicht, daß die Abschreckung in der Lage ist, einen Krieg zu verhindern. Gestatten Sie, daß ich jetzt die außerordentlich komplizierte Problemstellung nur kurz und unvollständig bringe:

Primär will man keinen Angriff führen, sondern die Fähigkeit aufrechterhalten, nach einem gegnerischen Angriff noch einen vernichtenden Gegenschlag führen zu können, denn nur dadurch kommt eine Abschreckung zustande. Deshalb ist nicht das absolute Rüstungspotential ausschlaggebend, sondern das relative Verhältnis zum möglichen Angriffspotential des Gegners. Im Rahmen jeder Art von Abschreckungskonzeption muß also jede Seite ihren Rüstungsstand unentwegt dem Stand des Gegners anpassen; paradoxerweise sogar unbegrenzt weit über den Stand hinaus, der ausreichen würde, den Gegner bei einem eigenen Angriff total zu vernichten, denn nicht das vor dem gegnerischen Angriff gegebene, sondern nur das nach einem gegnerischen Angriff verbleibende Potential begründet ja eine Abschreckung.

Diese Rüstungsanpassung an den gegnerischen Rüstungstand unterliegt hierbei ganz bestimmten Erfordernissen: Eine zu langsame eigene Rüstung gibt dem Gegner kurzfristig ein zu starkes Übergewicht; eine zu rasche eigene Rüstung ergibt aber eine zu starke Belastung der eigenen Wirtschaft, so daß der Gegner langfristig ein gefährliches Übergewicht erlangt.

Aber zur Information über den gegnerischen Rüstungsstand ist Zeit erforderlich; mit vereinbarten Inspektionen ist diese Zeit zwar verkürzbar, aber allein für die Auswertung des Informationsmaterials ist eine Mindestdauer erforderlich. Die Informationszeit ist also im Grunde unvermeidbar. Dennoch ist man gezwungen, den jeweils gegenwärtigen Rüstungsstand des Gegners einzukalkulieren. Mindestens innerhalb dieser Informationszeit ist mit einer Steigerung des gegnerischen Rüstungsstandes zu rechnen, die mit einer Steigerung der eigenen Rüstung aufzufangen ist. Da dies gleicherweise für beide Seiten gilt, ergibt sich eine fast zwangsläufige Rüstungsstandssteigerung mit etwa exponentiellem Anstieg. So ergibt sich das entsetzenerregende Wettrüsten, das die Welt beunruhigt.

Warum rüstet man nicht ab?

Die Informationszeit macht eine Abrüstung unmöglich, wenn die Gegner einander mißtrauen und wenn eine so große Rüstungsbeschleunigung möglich ist, daß innerhalb der Informationszeit ein gefährliches Übergewicht eines doch weiterrüstenden Gegners droht. Beide Seiten sehen sich in der Abrüstungsfrage den gleichen grundsätzlichen Schwierigkeiten gegenüber. Es ist deshalb heute besonders bedenklich, wenn jede Seite der anderen böse Absichten vorwirft; in einer Situation, in welcher allein ein gegenseitiges Vertrauen zur Abrüstung führen könnte.

Kann vielleicht eine ständige Rüstungssteigerung die Katastrophe verhindern?

Keine sich selbsterregend ansteigende Entwicklung kann unbegrenzt weiterlaufen. Im Falle des Wettrüstens tritt in zunehmendem Maße ein furchtbares Gespenst hervor; die Gefahr einer ungewollten Selbstauslösung des nuklearen Krieges. Durch Steigerung der Schußgeschwindigkeiten und der Annäherung mobiler Basen an das Feindgebiet verkürzt sich die Warnzeit laufend; zur Zeit ist sie bereits kürzer als ¼ Stunde.

Ein abschreckend wirkender Gegenschlag ist unter diesen Bedingungen nur noch möglich, wenn er von längerdauernden Regierungs- und Generalstabsbeschlüssen unabhängig funktioniert. Diese Abschreckungskonzeption erfordert daher eine Automatisierung des Gegenschlages. Im Prinzip gleichgültig ist es hierbei, ob die eigenen Waffen eingezielt und programmgesteuert bereitstehen und bei Einfall von Feindgeschossen sich selbständig auslösen, oder ob Basenkommandeure auf Grund vorinstruierten Handelns bei der Nachricht vom Kriegsausbruch ihre Waffen abfeuern, oder ob die persönliche Entscheidung eines Oberkommandierenden über einen schnell ansprechenden Apparat die eigenen Waffen zum Einsatz bringt. In jedem Falle ist die Gefahr gegeben, daß durch technisches Versagen, oder durch Irrtum in der Information oder durch psychopathische Reaktionen die Katastrophe sich ungewollt auslöst. Trotz der mehrfachen Sicherung haben unvorhergesehene Ereignisse in den vergangenen Jahren die Erde schon mehrfach an den Rand des Abgrundes geführt.

Wir befinden uns seit etwa 2 Jahren und in ständig zunehmendem Maß in der furchtbaren Gefahr einer Katastrophenauslösung, welche der sittlichen Entscheidung entglitten ist. Eine Selbstauslösungswahrscheinlichkeit bedroht die Erde beständig mit dem Untergang. Dieser Umstand die ist für moraltheologische Würdigung der Situation von fundamentaler Bedeutung.

Es ist ein Grundsatz der Kirchen aller christlichen Konfessionen – ein Grundsatz, den auch Papst Pius XII offiziell vertreten hat –, daß die Einrichtung von Kriegsmitteln, deren Einsatz oder Wirkung der sittlichen Kontrolle des Menschen entglitten ist, unsittlich und verwerflich sei. Die nuklearen Waffen und deren technisches System sind sowohl in der Auswirkung als auch in der Auslösung dieser Kontrolle völlig entglitten. Dies hat sich aus der Natur der Sache heraus ergeben; erstmalig in der Geschichte der Kriegstechnik.

Der Mensch hat die Herrschaft über die Mächte endzeitlicher Vernichtung verloren, die er selbst ins Dasein gerufen hat; das Geschehen ist ihm entglitten. Dies ist eine Tatsache von ungeheuerlicher Bedeutung. Von den führenden Staatsmännern beider Großmächte wurde dieser Tatbestand eindringlichst offiziell dokumentiert. Am 21. September 1961 hat der Präsident der Vereinigten Staaten, John Kennedy, vor der Vollversammlung der UNO erschütternd festgestellt:

« Heute muß jeder Bewohner unseres Planeten auf den Tag gefaßt sein, da dieser nicht mehr bewohnbar ist. Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind lebt unter einem nuklearen Damoklesschwert, das am dünnsten aller Fäden hängt, der jeden Augenblick durch einen Zufall, eine Fehlkalkulation oder Wahnsinnstat zerschnitten werden kann ».

Ganz entsprechende Erklärungen wurden 1962 vom Minister-Präsidenten der Sowjetunion und von den Außenministern beider Großmächte abgegeben. Die Verminderung der Gefahr des Zufallskrieges war überdies 1962 einer der Hauptpunkte der Abrüstungskonferenz. All dies ist über Rundfunk und Presse berichtet worden.

Diese offiziell bekundete Unkontrollierbarkeit darf nicht am Bewußtsein der Vertreter der Kirche vorbeigehen, denn die Menschen erwarten von der Kirche die richtungweisende Antwort. Diese Antwort erfordert Klarheit, Mut und Entschlossenheit und wird für viele überzeugender die hirtenamtliche Kraft der Kirche kundtun als irgend etwas anderes. Millionen warten auf diese Antwort – und für Millionen ist diese Antwort zum Prüfstein geworden, ob das Salz der Erde schal geworden ist. Gott wird Rechenschaft über unser Tun und Lassen verlangen. Es ist zu billig, auf andere, wichtige Aufgaben hinzuweisen, wenn wir es unterlassen, an Geschehnissen Anteil zu nehmen, die jeden angehen und Sein oder Nichtsein für alle bedeuten. Wenn Gott die Schöpfung von uns fordert, können wir uns nicht damit rechtfertigen, daß wir uns die Ohren zugehalten haben.

Wir leben in einer Zeit, in welcher der Fortbestand aller durch Menschenwerk tödlich bedroht ist – erstmals seit Anbeginn der gottgeschaffenen Welt. Der Fortbestand liegt nicht mehr im freien Willen des Menschen, sondern ist allein noch Gnade des allmächtigen Schöpfers und Herrn der Welt. Alles liegt daran, daß wir diese Gnade finden.